Mit der größten Pleite der US-Wirtschaftsgeschichte ist der Telekommunikationskonzern dabeiWeltkomInvestoren und Mitarbeiter geschockt. Unabhängig vom Ergebnis der Verhandlungen mit den Gläubigern werden die Aktionäre derWeltkomSie werden alles oder fast alles verlieren. Das Scheitern von Unternehmen ist die Folge riesiger Überinvestitionen und auch des massiven Preisverfalls in einer Branche, in der sich alle Mythen der „New Economy“ konzentrieren.
Das Internet verändert die Gesellschaft, die alten Wirtschaftsprinzipien gelten nicht mehr, die mächtigen Konzernealte Wirtschaftsie seien „mega-out“, hieß es in den Management-Papieren. Unternehmensberater, Journalisten, Philosophen, Politiker und einige Gewerkschafter feierten eine neue Ära. Nach dem aktuellen Tech-Börsencrash sind die Hosianna-Geschreie „mega-out“, aber viele Mythen leben noch, stören das Denken und nicht zuletzt das eigenständige Handeln.
Teil 1: Bits und Bytes
Wir leben in der Informationsgesellschaft – so die Fabel vonNeue Ökonomie. Bits und Bytes werden wichtiger als materieller Output. Für jeden zweiten Beschäftigten sind Informationen mittlerweile alles und jedes: Rohstoffe, Werkzeuge und das Ergebnis der Arbeit. In der Informationsgesellschaft sind die Mitarbeiter und ihr Wissen, das sogenannte "intellektuelle Kapital", das einzig wichtige Kapital.MicrosoftWenn sich nichts lohnte, erschienen die Mitarbeiter morgens nicht zur Arbeit.
Grundsätzlich gilt aber auch für das Internetzeitalter: Alles Leben ist Stoffwechsel. Alle Arbeit dient der Reproduktion, sei es des Individuums oder der Gesellschaft. Der Strom von Bits und Bytes erleichtert lediglich die Kommunikation und den Warenfluss innerhalb der bestehenden Arbeitsteilung. Wir können Flüge und Hotels online buchen, aber Flugzeuge müssen tatsächlich fliegen und Hotels müssen am Strand stehen. In diesem Sinne sind die Bits und Bytes nie wichtiger als die materielle Produktion oder die spezifische Dienstleistung. Richtig: Jeder Computer- oder Netzwerkausfall zeigt, wie verwundbar die Arbeitswelt durch die Informationstechnologie geworden ist. Die Stromausfälle im Silicon Valley haben den Mythos einer zweiten Welt virtueller Informationen, die angeblich völlig losgelöst vom realen Leben existiert, endgültig zerstört.
Dass immer mehr Arbeiter mit Informationen umgehen und als „Token Worker“ arbeiten, ist das Ergebnis einer immer komplexer werdenden Arbeitsteilung und einer steigenden Produktivität der realen Produktion. Andererseits erfordert diese Produktivitätssteigerung in Fabriken immer mehr Ingenieure, Entwickler und Techniker, um komplexe Prozesse zu planen und in Softwareprogramme umzusetzen.
Unbestreitbar setzte in Zeiten des Fachkräftemangels ein Umdenken auf einigen Führungsebenen ein, die Arbeiter wurden plötzlich in Sonntagsreden als das einzig wichtige Kapital des jeweiligen Unternehmens gefeiert. Allerdings wird schnell klar, welches Kapital wirklich regiert, wenn die Zahlen nicht mehr stimmen und Anleger sich sehr unwohl fühlen. Dann kann das „intellektuelle Kapital“ in Begleitung des Werkschutzes den Tisch abräumen und das Unternehmen sofort verlassen. Leider tötet die Rezession vieler kürzlich gefeierter Technologieunternehmen Talent und Kreativität. Es zeigt aber auch, was wirklich zählt und was im Internet-Rausch oft übersehen wird: „Cash is King“. Damit das Wissen heute im Unternehmen bleibt, tüfteln alle Konzerne an Wissensmanagementsystemen, damit gute Ideen nicht bei den Mitarbeitern bleiben.
ÜbrigensMicrosoft: Unbestreitbar hat dieses Unternehmen, wie jedes andere Unternehmen auch, ein kurzfristiges Problem, wenn Horden von erfahrenen Entwicklern das Unternehmen verlassen. Doch in der Tech-Branche ist das Abwerben des gesamten Teams an der Tagesordnung, weil es Wettbewerbsvorteile schafft. Die davon betroffenen Unternehmen überleben, weil das Know-how in den meisten Fällen nicht einmalig, also ersetzbar ist, obwohl die konkrete Produktidee mittlerweile bei der Konkurrenz liegt. Solche Probleme gibt es übrigens überall, etwa wenn ganze Trupps von Investmentbankern die Deutsche Bank verlassen oder ein Entwicklungsteam von Audi zu BMW wechselt.
Kein Wunder, dass kleine IT-Unternehmen mehr denn je von den Großen billig geschluckt werden, solange sie über bedeutende Patente und Know-how verfügen. Sehr wenige ehemals kleine und schnelle Unternehmen mögenMicrosoft,Compaq,TunUE,CiscoÖAOLSie wurden wirklich groß, weil sie eine völlig neue Technologie auf den Markt brachten, die ihnen einen Vorteil verschaffte und es ihnen ermöglichte, eine Monopolstellung aufzubauen. Aus wirtschaftlicher Sicht stehen etablierte Unternehmen seit 100 Jahren immer wieder vor dem Dilemma, einerseits ihre etablierte Technologie und damit ihre Gewinne zu schützen und andererseits zukünftige Entwicklungen, die die Übernahme bedrohen, nicht zu verpassen. .
Mythos 2: Freiheit für alle
Das Internet entlastet Mitarbeiter und setzt damit Kreativität und Innovation frei, so die Autoren desTrack-Zug-Posterab 1999 eine neue Unternehmenskultur für das Internetzeitalter propagieren: selbstbestimmt, ohne Hierarchien, ohne Strukturen. Tatsache ist, dass die Internetökonomie der Deregulierung der Arbeitsverhältnisse auch in Deutschland neue Impulse gegeben hat: Zeitarbeit, Zeitarbeit, (Scheinselbstständigkeit), maximale Flexibilität bei Arbeitszeiten und Arbeitseinsätzen sind in aller Munde. Tarifverträge und Betriebsräte stehen einer „selbstbestimmten“ Selbstausbeutung nur im Wege. Die katastrophalen Arbeitsbedingungen in den kreativen „Start-ups“ übernahmen die Big Player der Branche gerne.
Umfragen und Gehaltsstudien zeigen, dass der Internet- und IT-Arbeitsmarkt zunehmend segmentiert wird, von schlecht bezahlten und belastenden Jobs als Account Manager bis hindas Callcenter(mit hoher Fluktuation) bis hin zu hochbezahlten Beratern und Spezialisten, deren Fähigkeiten "in Mode" sind. Da es fast keinen Tarifvertrag gibt, unterscheidet sich das Jahresgehalt für die gleiche Tätigkeit um den Faktor zwei. Vielleicht fünf Prozent aller Angestellten in Technologieunternehmen wurden in den letzten Jahren überbezahlt oder mit entsprechend hohen Gehaltserhöhungen unglaublich bezahlt. In einigen Fällen, insbesondere bei Start-ups, wurden junge Bewerber mit hohen Aktienoptionen und niedrigen Monatsgehältern gelockt. Die Optionen sind jetzt nutzlos. Die Arbeitstage hingegen werden länger, bei gleicher Bezahlung, also sinkenden Stundenlöhnen. In der New Economy ist es durchaus üblich, 60 Stunden oder mehr zu arbeiten. Zu lange Reisezeiten erhöhen den Stress.
Vor allem Frauen können so nicht arbeiten. Auch gibt es kaum noch ältere Fachkräfte für die Branche, weil Altersdiskriminierung trotz Fachkräftemangel praktiziert wird. Große Unternehmen zielen auf Stellenabbauprogramme für Senioren ab, und Stellenausschreibungen besagen, dass wir niemanden über 35 wollen. An dem Mythos von selbstbestimmten Jobs in der New Economy ist also wenig dran. ENTWEDERNew York Timesschrieb vor einem Jahr: „Internetexperten und Programmierer sind die Fachkräfte von morgen. Sie wissen es nur noch nicht.“
Mythos 3: Zeit zählt nicht
Tatsächlich haben für Bill Gates und einige andere Einnahmen nichts mehr mit investierter Zeit zu tun, weil sie nicht nur zur richtigen Zeit die richtigen Ideen hatten, sondern sie geschickt vermarkteten. Wenn im Technologiesektor eine Innovation zum Industriestandard wird, ziehen Monopolgewinne die Diebe und Glücksritter des Informationszeitalters an. Andererseits für gewöhnliche Microsoft-Entwickler, die seit zehn Jahren als sogenannte „Permatemps“, also als unbefristete Aushilfen, für das Unternehmen arbeiten, aber nie für ihre Schnelligkeit und Originalität belohnt wurden und sie auch nie erhalten haben Anteile. bei Microsoft bleiben die Arbeitszeiten die gleiche Umsatzbasis.
In der Informationswirtschaft gibt es auch kein anderes allgemein akzeptiertes Maß für die Entlohnung und Leistung von Arbeitnehmern als die Arbeitszeit. Jeder Freelancer, der beispielsweise ein Angebot auf einer Website abgibt, rechnet den zu erwartenden Arbeitsaufwand bei normaler Durchschnittsleistung durch. Jedes Unternehmen, das ein Computerprojekt für Dritte bearbeitet, erfasst sehr genau den Zeitaufwand seiner Mitarbeiter. Andererseits ist es sehr nachvollziehbar, dass es gerade im Technologiebereich zu einer „modernen“ Personalpolitik von Unternehmen gehört, das Verhältnis von Arbeitszeit und Einkommen mit Modellen wie der variablen Vergütung völlig durcheinanderzubringen. Dadurch kann die Arbeitszeit beliebig verlängert werden. Und es gibt einen netten Nebengewinn, wenn die geleisteten Stunden nicht bezahlt werden.
Gehaltsstudien der IG Metall zeigen einen engen Zusammenhang zwischen Vergütung und Investitionskosten für die Hard- und Software, mit der Entwickler und Techniker arbeiten. Um ehrlich zu sein, weil Windows so alltäglich und so billig ist, verdient ein Windows-basierter Entwickler viel weniger als jemand, der kompliziertere Software konfigurieren und an eine bestimmte Unternehmensumgebung anpassen kann. Ein PC-Techniker verdient kaum mehr als ein TV-Techniker. Dagegen verdient ein Hardware-Spezialist, der sich um ausfallsichere Rechner im Amadeus-Rechenzentrum der Lufthansa kümmert, deutlich mehr. Auch hier zeigt sich, dass die Regeln der Ökonomie weiterhin gelten.
Mythos 4: Es gibt nirgendwo Platz
Entfernungen spielen im Internetzeitalter keine Rolle mehr, virtuelle Unternehmen können überall angesiedelt sein. Mit der Zerstörung des Weltraums werde der Siedlungsdruck in Ballungsräumen verringert, heißt es, und auch die Umwelt werde profitieren, weil die Kommunikation über das Netz und nicht über den Flugbetrieb funktioniere.
Das Gegenteil ist wahr. Die amerikanische Erfahrung zeigt, dass der durch Hightech und Wagniskapital getriebene Turbokapitalismus in manchen Regionen zu einer stärkeren Konzentration neuer Industrien führt: im Silicon Valley mit seinen exorbitanten Grundstückspreisen, in den Hightech-Gürteln um Boston und Austin und um Washington. . Eine Studie aus Brandenburg zeigt den gleichen Effekt für Deutschland: Unternehmen aus verwandten Branchen bündeln sich in wenigen Zentren oder sogCluster. Die notwendige Infrastruktur ist dort bereits vorhanden, der Wissensaustausch funktioniert dort und die Fachkräfte, die wir suchen, sind dort. Denn wo die Unternehmen sind, werden auch die Arbeiter abwandern. Und entgegen naiver Erwartung haben die Boomjahre im Tech-Sektor den Verkehr angekurbelt. Nicht nur Frachtverkehr, denn im wirklichen Leben sind es nicht Bits und Bytes, sondern weltweit produzierte Platinen, Monitore, Spielekonsolen oder andere Produkte, die bestellt und dann per Schiff oder Flugzeug zu den Absatzmärkten in den USA und USA Europa transportiert werden. Das gilt auch für den Personenverkehr: Der Abbau hierarchischer Strukturen in Konzernen und die Bildung regional verteilter virtueller Teams erhöhen den Kommunikationsaufwand. Effektive Projektarbeit funktioniert nur sehr eingeschränkt per E-Mail oder Videokonferenz. Reisen nehmen also zu, wie die Geschäftsreisestatistik zeigt.
Wolfgang Müller ist Fachinformatiker bei der IG Metall und Autor vonHi-Tech-Bericht. Über Stand und Zukunft der Hightech-Industrie, S. Toeche-Mittler Verlag, Munique 2002